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  • Klaus Meitinger

„Es geht um die Sache.“

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten)

Good Energies. „Das Leben“, sagt Marcel Brenninkmeijer, „ist zu kurz, um Dinge zu tun, hinter denen man nicht vollständig steht.“ Deshalb kämpft der Niederländer hartnäckig und ausdauernd gegen das größte Problem der Menschheit: den Klimawandel.

„Ob ich niedergeschlagen bin?“ Marcel Brenninkmeijer, Spross der Textildynastie C&A, Gründer der Investmentfirma Good Energies und der Good Energies Foundation, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Solarfirma Q-Cells und Solarpionier, zögert

keinen Moment:

„Nein, wir haben doch viel erreicht. Die weltweite Solarindustrie wäre ohne unsere Inves­titionen nie so schnell so stark geworden. Auch mit der Stiftung haben wir viel bewegt und tun das ja immer noch. Für mich ist es eine große Freude zu sehen, dass zum Beispiel die indische SELCO, die 2008 ohne uns das Jahr 2009 nicht überlebt hätte, in den Slums von Bangalore und den umliegenden ländlichen Gegenden mittlerweile weit über 100 000 Haushalten über Solarpanels Zugang zu Elektrizität verschaffen konnte. Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Dafür bin ich dankbar – selbst wenn die Good Energies nichts mehr vom Solarengagement übrig hat.“

Die Geschichte des Investors Marcel Brenninkmeijer ist eng verwoben mit Aufstieg und Fall der deutschen Solarindus­trie. Als der Unternehmer im März 2008 seine faszinierende Geschichte in private wealth erzählt, befindet sich diese auf ihrem Zenit. Die Beteiligungen der Investmentfirma Good Energies – die unter anderem der größte Anteilseigner der Solarfirma Q-Cells war – sind mehr als fünf Milliarden Euro wert. Und der Unternehmer hat große Pläne. Er will innerhalb von Good Energies „noch zwei bis drei Q-Cells bauen“.

Kurz danach beginnt die Solarkrise. „Zuerst stoppten die Banken in der Finanzkrise Projekte, die damals garantierte zwölf bis 15 Prozent Ertrag gebracht hätten, weil sie selbst mehr Eigenkapital brauchten. Dann kündigten sie die Kredite, weil die Firmen bestimmte an den Absatz geknüpfte Klauseln nicht mehr einhalten konnten. Das war etwas, was ich mir so nicht habe vorstellen können“, erklärt der Niederländer heute. Danach rollten die Chinesen den Markt auf. „Sie haben das ja sogar angesagt: Jetzt sei die Zeit, Marktanteile zu gewinnen. Und sind 30 Prozent mit den Preisen runter gegangen. Dass dieses Dumping zugelassen wurde, war wirklich nicht klug.“

Kurze Zeit später fallen vor allem in Europa die Solarfirmen wie Dominosteine. Auch Q-Cells bleibt nur der Gang in die Insolvenz. Die meisten der Investments von Good Energies müssen abgeschrieben werden. Weil Good Energies schon früher nach dem Verkauf der Anteile an der norwegischen Solarfirma REC eine Milliarde Euro an die Familienholding zurück­geführt hatte, erleidet die Familie zumindest keinen Verlust. „Unterm Strich war alles leicht positiv. Es war also kein Null­summenspiel. Aber eben auch kein lukratives Investment.“

Von null auf fünf Milliarden und zurück – das könnte der Ausgangspunkt einer Fortsetzung der Geschichte des Marcel Brenninkmeijer sein. Allein, dies würde dem Entrepreneur nicht gerecht. Schon immer war die Rendite auf seine Investitionen für Brenninkmeijer nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck. Ihm geht es vor allem darum, etwas gegen das größte Problem der Menschheit, den Klimawandel, zu tun.

„Profit ist dabei entscheidend. Stiftungen alleine werden den Umbau von einer durch fossile Energieträgern geprägten, zu einer CO2- und Methangas-freien Weltwirschaft nicht schnell genug schaffen. Den Klimawandel bekommen wir nur gelöst, wenn sich eine gesamte Industrie darauf stürzt. Sie werden dies nicht unbedingt tun, weil sie gute Menschen sind, sondern weil sie Geld damit verdienen können.“

Das ist die große Geschichte hinter der Investmentgeschichte. Marcel Brenninkmeijer tut nun alles, um über die Folgen des Klimawandels aufzuklären und Unternehmer zu inspirieren, sich für das Thema Klimawandel einzusetzen.

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass wir mittlerweile mehr als eine Million Umweltflüchtlinge haben?“ Weil sich der östliche Mittelmeerraum überdurchschnittlich erwärmte, habe es vier schlechte Ernten in Folge in Syrien gegeben. „Danach begann der Bürgerkrieg. Man könnte also durchaus sagen, dass die Flüchtlinge, die heute nach Deutschland kommen, nicht Kriegsflüchtlinge, sondern Umweltvertriebene sind.“

Dass es trotzdem noch immer keine international koordinierten politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel gebe, sei zwar verständlich – „jeder versucht, in den Verhandlungen seine eigenen kurzfristigen Interessen auf Kosten aller anderen durchzusetzen“ –, enttäusche ihn aber zutiefst. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn wir nicht dringend nachhaltig handeln, werden wir den Klimawandel vielleicht gar nicht mehr erleben, weil wir vorher schon die Luft nicht mehr atmen können.“

400 000 Jahre lang bewegte sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre zwischen 200 und 280 ppm (parts per Million). Heute liegt die Belastung bei knapp 400 ppm. „Es gibt Untersuchungen mit Säugetieren, die zeigen, dass es bei 600 ppm zu ernsten gesundheitlichen Problemen kommt. Kopfschmerzen, Übelkeit. Dann ist kein Sport mehr möglich, die Lebenszeit geht zurück. Diese 600 ppm werden wir womöglich schon in 50 Jahren erreichen, wenn wir weiterhin ,business as usual‘ betreiben.“
Weil der Rest von Good Energies auf BREGAL, die Investment-Tochter der COFRA Holding (Brenninkmeijer-Familie) übertragen wurde, konzentriert sich Marcel Brenninkmeijer ab 2010 auf die Good Energies Stiftung. Und fokussiert diese zuerst auf den Bereich Wiederaufforstung, „weil das viel mehr direkten Einfluss auf das Klima hat als ländliche Solarpanels für die Entwicklungsländer.“

Die Frage lautet nun: Was lässt sich im Wiederaufforstungsbereich machen, das auch finanziell nachhaltig ist? „Die meis­ten Leute gehen mit dem Hut rum, pflanzen dann Bäume und denken, sie bewegen etwas. Obwohl dies natürlich fantastisch ist, habe ich mich immer gefragt, ob es genug sein kann, in Äthiopien fünf Millionen Setzlinge pro Jahr zu pflanzen.“ Das Land habe in den letzten 60 Jahren schließlich im Schnitt 750 Millionen Bäume pro Jahr verloren. Früher seien 40 Prozent des Landes bewaldet gewesen. Heute nur noch zwei. „Es muss doch andere Möglichkeiten geben.“

Ein paar Ideen hat Brenninkmeijer schon aufgespürt. „Ich habe zum Beispiel die Zuckerpalme in Indonesien kennengelernt. Diese Zuckerpalme könnte genutzt werden, um die etwa eine Milliarde Hektar tropischen Regenwald, der weltweit vernichtet wurde, wieder aufzuforsten – und zwar nicht in einer Monokultur, sondern gemeinsam mit anderen Gewächsen, die Nahrung produzieren. Mit der Hälfte der zerstörten Waldfläche könnte man dann alles Öl der Welt ersetzen – durch Bioethanol aus Zucker.“

Ein zweiter Ansatz ist nun das Projekt „Clean Energy for the Poor“, welches neben der Elektrifizierung ländlicher Gebiete in Indien mittels Solar auch auf sauberes Kochen setzt. „In Afrika werden pro Jahr 20 Milliarden Kilo Holzkohle verbrannt – vor allem beim Kochen. Weil zehn Kilogramm Holz für ein Kilo Holzkohle gebraucht werden, verarbeiten die Menschen jedes Jahr 200 Milliarden Kilo Holz zu Holzkohle. Stattdessen saubere Energie aus Bioethanol einzusetzen, wäre auch ein finanziell nachhaltiges, lohnendes unternehmerisches Projekt. „Die Holzkohle kostet schließlich 50 bis 60 Cents pro Kilo. Das ist heute allein in Afrika schon ein Zehn-Milliarden-Dollar-Markt.“

Wer länger mit Marcel Brenninkmeijer über den Klimawandel spricht, ist einerseits frustriert angesichts der gewaltigen Dimension des Problems. Dann aber schnell wieder elektrisiert ob der Fülle von Möglichkeiten, die es offenbar noch gibt, um rechtzeitig gegenzusteuern. Für Brenninkmeijer selbst scheint das Glas jedenfalls immer halb voll. „Aktuell lege ich sehr viel Hoffnung in die päpstliche Enzyklika über die Umwelt, die Ende 2014 erscheinen soll. In Amerika ist der Klimawandel derzeit ja der größte Streitpunkt zwischen Republikanern und Demokraten. Heute glauben noch sehr viele Amerikaner, vor allem bei den Republikanern, dass der Klimawandel nicht sein kann, weil der liebe Gott die Welt perfekt geschaffen hat. Wenn nun der Papst kommt und sagt: Die Verantwortung der Umwelt gegenüber liegt beim Menschen, dann müssen sich einige Republikaner entscheiden: Ist der Papst verrückt? Oder sollten wir vielleicht doch noch einmal über die Bücher gehen?“

Das, hofft er, könne dann eine Art Umkehr-Punkt in der internationalen Klimapolitik werden. „Wenn nur ein paar Republikanische Senatoren ihre Meinung ändern, kippt die notwendige 60-Prozent-Mehrheit im Repräsentantenhaus.  Das kann dann in den USA der Durchbruch sein. Und wenn die USA in der Klimapolitik Ernst machen, werden andere Länder folgen.“

Seit Anfang dieses Jahres übt Brenninkmeijer – weil er das ordentliche Pensionierungsalter erreicht hat – keine operative Tätigkeit mehr im Familienunternehmen aus. „Aber in der Praxis macht man ja ohnehin weiter, sozusagen informell, ohne Posten. Ich habe nun etwas mehr Freiraum und kann mich auf das Wesentliche konzentrieren.“

Wesentlich für Marcel Brenninkmeijer ist es, das Netzwerk zu stärken, Fäden zu spannen und seine Zeit denen zur Verfügung stellen, die wirklich etwas für die Sache tun. „Vielleicht lässt sich das Thema Klimawandel ja mit den Menschenrechten verknüpfen. Es kann doch nicht rechtens sein, dass Hunderte Millionen von Menschen ihre Heimat verlassen müssen.“ Wäre es nicht möglich, andere Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International dazu zu bewegen, sich des Themas Klimawandel anzunehmen? „Ich kann mich doch nicht zurücklehnen. Ich will ja auch eine Vorbildfunktion erfüllen. Da kann ich nicht einfach aufhören, mich einzusetzen.“

Die eigenen Kinder nimmt Marcel Brenninkmeijer auch deshalb häufig mit, wenn er im Ausland Projekte begutachtet. Seine Tochter Anna sei zum Beispiel vor einiger Zeit mit in Indonesien gewesen. Da habe sie sich vorgestellt: „Ich bin die Anna. Ich bin die Tochter von Marcel, der da drüben sitzt. Wenn ich mit der Schule fertig bin, dann möchte ich Geografie studieren.“ „Dann lächelte sie mich so von unten an, und ich dachte, was kommt jetzt: ,Damit ich auch etwas für die Umwelt tun kann.‘“    ®

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